Kommentar – Was stimmen bei der 13. AHV-Initiative?

Die Gewerkschaften appellieren mit ihrer Kampagne ans Mitgefühl, indem sie verarmte Rentnerinnen und Rentner stellvertretend für die AHV-Generation plakatieren. Die Alten verarmen! Jetzt müsse ihnen mit einer 13. Rente unter die Arme gegriffen werden! Das mag effektive Werbung sein, den Tatsachen entspricht es nicht. Wer die Minimalrente von 1225 erhält, würde sich sicher über den monatlichen Zustupf von 102 Fr. 08 Rp. freuen, den die 13. Rente bringt. Das Problem löst es aber nicht. Man kann in der Schweiz auch mit 1327.08 CHF nicht leben.

Dazu kommt: Niemand ist so vermögend wie die AHV-Generation. Die Alten besitzen in der Schweiz am meisten, je älter, umso wohlhabender. Und das nicht nur an der Spitze: 40% der über 75jährigen geben an, ihr Vermögen noch immer weiter zu vergrössern.

Da die Lebenserwartung in der Schweiz gegen 90 tendiert, erben viele erst ab 60, weil der letzte Elternteil erst dann stirbt. Und wer voll gearbeitet hat, erhält aus der 2. Säule sehr viel mehr als die AHV. Die Aussage, es gehe den Ältesten besonders schlecht, ist Unsinn.

Warum also ist die Linke so darauf erpicht, allen, sowohl den reichen wie den armen AHV-Bezügern, mehr Geld zu geben? 

Aus drei Gründen

  • Umverteilung. Die AHV ist ein Lieblingskind der Linken, weil rund 90% weniger einzahlen, als sie nachher erhalten. Denn wer auf einen hohen Lohn AHV zahlt, erhält trotzdem nicht mehr als die Maximalrente.  
  • Organisationstypus. Die AHV ist ein staatliche Institution, im Gegensatz zu den vielen privaten Pensionskassen, bei denen enorm viel in den Chefetagen und der Bürokratie versickert und nicht solidarisch für alle, sondern individuell ausgezahlt wird.
  •  Populismus. Gewerkschaften und SP reagieren auf die gestiegenen Lebenskosten mit Initiativen, die möglichst vielen Geld und Entlastung versprechen. Das erhöht die Chance für die Initiativen und gibt Rückenwind für die nächsten Wahlen. Und bietet der juso-gewerkschaftsdominierten SP endlich ein attraktives Themenfeld.

Nun sind Populismus und permanenter Wahlkampf inzwischen ja schon fast normal. Zu bedenken bei der AHV-Frage ist aber:

Es gibt noch den zweiten Umverteilungsmechanismus, nämlich den von jung nach alt: Die heute Arbeitenden berappen die Pensionen der Verrenteten. Und das reicht für die 13. AHV-Renten bei weitem nicht aus. Schon beim Courant Normal gerät die AHV 2030 in Schieflage. Die 13. Rente kommt dann noch dazu. In der Schweiz, die selten Reformen zustande bringt, weil so viel Kräfte Blockadehebel haben, ist es am wahrscheinlichsten, dass die Finanzierung einer 13. Rente durch einen Mix vorgenommen würde: ein grösserer AHV-Beitrag aus der Bundeskasse, mehr Lohnprozente auf die Arbeit, erhöhte Mehrwertsteuer. Das führt dann zu höheren Lebenshaltungskosten, was alle diejenigen bedrängt, die jetzt schon knapp dran sind. Rentnerinnen, aber auch viele, die noch keine Rente erhalten. Familien, alleinerziehende Mütter. Tieflöhner. Mit denen man genauso emotionale Plakate machen könnte wie die Gewerkschaften. Auf die Vorhaltung, warum man die vielen Gutsituierten besser stellen wolle, um denen zu helfen, die nicht über die Runden kommen, hört man wie von Sprechapparaten: Das gehöre zur “bewährten AHV”, dass ungleich eingezahlt werde, am Schluss aber alle etwas erhielten. Auch um die Debatte drohender Defizite mogelt sich die Linke herum, und sagt gerne: Immer wieder sei vor Milliardenlöchern gewarnt worden! Nie seien sie eingetroffen! Unter den Tisch fällt dabei, wie jeweils mühselige Reformen die Defizite auszugleichen hatten.

Was wäre zu tun? Zur Zeit ist eine Art Gegenvorschlag auf dem Tisch von GLP-Nationalrätin Mettler und Mitte-Ständerat Rieder, der im Nationalrat mit Null Gegenstimmen durchging. Er sieht vor, dass nur das unterste Viertel der AHV-Beziehenden mehr erhält, dafür etwa doppelt so viel wie bei der 13. Rente. Kosten würde das statt fünf Milliarden nur eine. Allerdings hat der Ständerat noch nicht zugestimmt, die Vorlage ist noch nicht in trockenen Tüchern. Und mit Recht sagt die Linke: Viele, die jetzt auf diesen Vorschlag verweisen, interessieren sich normalerweise einen Deut für die Belange Bedürftiger. Wenn aber GLP und Mitte im Boot sind, liesse sich mit Hilfe der Linken eine Mehrheit finden. Wenn es die Linke dann nicht zu  sehr stört, dass sie sich den Vorschlag nicht auf die eigene Fahne schreiben kann. 

Was soll man bei der Vorlage stimmen? (Im votez.ch-Team jedenfalls gibt es Stimmen Pro und Contra.) Bei der Entscheidungsfindung mögen folgende Überlegungen weiterhelfen.

Als Leitschnur mag man das eigene Portemonnaie nehmen und sich überlegen: Bin ich schon AHV positiv? Oder bald? Oder bin ich noch lange im Arbeitsprozess, der dann die 13. Rente finanziert? Mit Lohnprozenten. Und höchstwahrscheinlich auch über die Lebenshaltungskosten.

Man kann sich aber auch auf den Standpunkt stellen, dass den geburtenschwachen Jahrgängen nicht auch noch diese 5 Milliarden aufgebürdet werden sollten. Und dass eine Lösung, die nur das unterste Viertel der AHV-Generation bedient, eine bessere Lösung wäre.

Man kann arumentieren, die Schweiz sei reich genug sei, und dass die Kosten – wie immer – dann schon irgendwie eingespiesen würden, schliessliche reicht es auch, Jahr für Jahr dem Agrarkomplex 4 Milliarden zuzuschanzen.

Je nach politischer Prioritätssetzung kann man die AHV-Initiative im grösseren Zusammenhang sehen. Diese Abstimmung lässt sich auch lesen als ein Kräftemessen des nationalistischen Linkspopulimsus. Wenn der Blocher von links, Anti-EU-Gewerkschaftsboss Maillard, hier gewinnt, dürfte ihn das ungemein stärken. Verliert er diese Vorlage, dürfte das im linken Lager eher wieder Raum schaffen, für den wirtschafsaffineren Flügel im Stil des SP-Technokraten und Ex-Zürcher Stapi Ledergeber, der die Initiative als “Populismus” ablehnt.